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07.12.2017| Von: Astrid Schuch |

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"Wir werden das Land wachsen lassen, wir werden Jobs wachsen lassen, wir werden alles wachsen lassen." Rosarot ist die Brille, die Donald Trump trägt, wenn er von seinem ersten Erfolg in der fast ein Jahr alten Präsidentschaft spricht. Im Eilverfahren haben die Republikaner am Wochenende die umstrittene US-Steuerreform durch den Senat gepeitscht. Wachsen wird durch sie laut anerkannten Experten aber vor allem eines: Das Budgetdefizit und damit der ohnehin bereits horrende Schuldenberg der USA. Selbst eine Verlängerung der Party an den Aktienmärkten ist laut wikifolio-Tradern keine ausgemachte Sache.

Lektion 1: Wie man sich effizient verschuldet

Es ist Samstag, frühmorgens um 2 Uhr: Die Entscheidung ist knapp. Mit 51 von 100 Stimmen beschließt der US-Senat die Umsetzung des umfangreichsten steuerpolitischen Eingriffes seit der Ära von Ronald Reagan (Details zum Entwurf siehe untenstehende Tabellen). Die Befürworter hoffen auf einen von niedrigen Steuern ausgelösten Wirtschaftsboom, der unterm Strich mehr Geld in die Staatskasse spült. Gegner kritisieren, das von der Steuerreform vor allem Reiche und Unternehmen profitieren.

Wahrscheinlicher ist außerdem, dass letztlich nicht mehr sondern weniger Geld in der Staatskasse bleibt, befürchtet wikifolio-Trader Lars Gappenberger aka "patheus": "Mittel- bis langfristig gesehen ist die Reform ein spannendes Experiment, wobei meiner Meinung nach die Risiken durch die deutliche Zunahme der Staatsverschuldung überwiegen."

Das Haushaltsbüro des Kongresses rechnet vor: Die Schulden werden sich in den kommenden zehn Jahren um gut eine Billion Dollar erhöhen. Andere Schätzungen gehen sogar von einem zusätzlichen Haushaltsloch von 1,4 oder 1,5 Billionen Dollar aus. Dabei sitzen die Amerikaner bereits jetzt auf einem Schuldenberg von 20 Billionen Dollar. Bob Corker hatte daher auch einen Automatismus gefordert, bei dem die Steuern wieder steigen sollten, wenn das Defizit ausufern würde. Vergebens. Am Ende war er der einzige Republikaner, der der Steuerreform seine Zustimmung verweigerte.

Lektion 2: Wie man eine Notenbank in die Zwickmühle bringt

Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, geht außerdem davon aus, dass der Anstieg der US-Staatsschulden den Zinsanstieg beschleunigen und zu wachsenden Inflationserwartungen führen werde. Die Logik dahinter ist einfach: Wenn ein Staat sich verschuldet, muss er Anleihen begeben, um die Schulden zu finanzieren. Kommen mehr Anleihen auf den Markt, müssen Anleger in der Regel mit höheren Renditen zum Kauf animiert werden. Dazu kommt, dass die US-Notenbank Fed bereits begonnen hat, aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen, die die Zinsbelastung für den Staat bislang niedrig hielt. Sie ist längst dabei, die Zinsen anzuheben und auch als Käufer der Staatsanleihen fällt sie zunehmend aus. Alles deutet also auf höhere Zinskosten hin.

"Wie tief das Vertrauen in die Geldpolitik bereits gesunken ist, zeigt die aktuelle Entwicklung bei den Kryptowährungen"
wikifolio-Trader Lars Gappenberger aka "patheus"

Fraglich bleibt damit auch, wie groß der Spielraum für Staat und Notenbank ist, sollte es zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen: "Wie tief das Vertrauen in die Geldpolitik bereits gesunken ist, zeigt die aktuelle Entwicklung bei den Kryptowährungen", ergänzt Gappenberger. Ein Bitcoin kostet mittlerweile 13.000 Dollar.

Lektion 3: Wie man einen globalen Steuerdumping-Krieg anzettelt ...

Auch für Europa und Deutschland werden die Konsequenzen der Steuerreform voraussichtlich riesig sein. Positiv: Die Exporte in die USA werden weiter anziehen und die europäische Wirtschaft beflügeln. Gleichzeitig erhöht Trump aber den Druck auf andere Länder, im Kampf um Investitionen und Jobs die Unternehmensbesteuerung ebenfalls zu senken: "Rund um den Globus dürfte es jetzt Diskussionen über ähnliche Steuererleichterungen für Unternehmen geben, um gegenüber den USA weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben", schlussfolgert wikifolio-Trader Stefan Waldhauser aka "stwBoerse". Das wiederum bedeutet auch erhöhten Druck auf die EZB, aus der expansiven Geldpolitik auszusteigen und damit die Zinsen zu erhöhen.

Steigende Zinsen für sich genommen sind nun nicht unbedingt ein Beinbruch für die Börsen, schon gar nicht, wenn die Konjunktur anzieht und die Unternehmensgewinne ebenso.

… und dabei vielleicht nicht einmal eine richtige Börse-Rallye rausspringt

Waldhauser ist verhalten optimistisch: "Mit der Steuerreform ebnet die amerikanische Regierung den Weg für eine politisch motivierte Jahresendrallye, denn die Nettogewinne vieler Unternehmen dürften damit deutlich steigen. Ob es für eine ausgewachsene Rallye reichen wird, da bin ich angesichts der doch jetzt schon hohen Bewertung von US-Aktien etwas skeptisch."

"Ob es für eine ausgewachsene Rallye reichen wird,
da bin ich angesichts der doch jetzt schon hohen Bewertung von US-Aktien etwas skeptisch."
wikifolio-Trader Stefan Waldhauser aka "stwBoerse"

Als mögliche Profiteure der Steuerreform sieht er zunächst "natürlich alle profitablen US-Branchen, aber vor allem auch Tech-Giganten wie Apple und Microsoft. Diese könnten dann noch einfacher ihre hohen Investitionen finanzieren, im Ausland geparkte Gewinne zurückholen und auch größere Summen an die Aktionäre ausschütten." Dies käme letztlich auch Waldhausers wikifolio "High-Tech Stock Picking" zugute. Darin setzt er vor allem auf Technologie-Unternehmen aus den USA, wie beispielsweise auch Microsoft.

"Wer die Verlierer der Reform sind, ist schwer abzuschätzen, aber wahrscheinlich der US-Normalbürger.
Ein unsolider Staatshaushalt geht immer zu Lasten der Bürger."

wikifolio-Trader Andreas Schratzer aka "Fuchs"

Gappenberger ("patheus") hält in seinem wikifiolio "Value Deutschland Stetig", wie der Name schon sagt, zwar fast ausschließlich deutsche Aktien, die dürften aber ebenfalls von einer beflügelten deutschen Konjunktur profitieren. Mit steigenden Kurse lediglich aufgrund der Steuerreform rechnet Gappenberger aber ohnehin nicht: "Aufgrund der mehrmonatigen Hausse an den US-Börsen dürften die kurzfristigen Effekte der Steuerreform bereits komplett eingepreist sein. Die nun fehlende Perspektive auf weitere mögliche 'good news' dürfte eher zur einer Ernüchterung führen."

Andreas Schratzer sieht das anders. Er betreut als "Fuchs" das wikifolio "Schnäppchen Jäger" und traut den Börsen diesseits und jenseits des Atlantiks nun noch einiges zu: "Die Steuerreform dürfte sich sehr positiv auf die Aktienmärkte auswirken, wenn US-Unternehmen ihre im Ausland geparkten Erträge rückführen können und sie teils für Aktienrückkäufe verwenden." Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten lieferten zudem Anreize für Investitionen, was sich positiv auf das US-Wirtschaftswachstum auswirken werde. Als Profiteure macht Schratzer die Branchen Infrastruktur, Bau und Luxusgüter aus - aber auch sein wikifolio zählt er aufgrund der von ihm erwarteten steigenden Aktienmärkte zu den Gewinnern der Steuerreform. Seit Jahresbeginn hat sich das Zertifikat auf "Schnäppchen Jäger" bereits verdoppelt. Zu den wenigen ausgewählten Schwergewichten zählen der Flugzeugkompenentenhersteller FACC und der deutsche Luxusautobauer Porsche. Beiden sollte eine erstarkende Konjunktur in die Hände spielen. Wer die Verlierer der Reform sind, ist laut Schratzer schwer abzuschätzen: "Wahrscheinlich der US-Normalbürger. Ein unsolider Staatshaushalt geht immer zu Lasten der Bürger."

 

Die Gewinner der US-Steuerreform

Konzerne
Die Körperschaftssteuer soll von 35 auf 20 Prozent sinken - und damit unter den Durchschnitt der Industriestaaten von 22,5 Prozent. Dazu können Mega-Konzerne jetzt das Geld, das sie bisher in Steuerparadiesen geparkt haben, zu günstigen Steuersätzen zurück in die USA bringen.
Superreiche
Steuerzuckerl für die obersten Prozent: So soll zum Beispiel eine Art Erbschaftssteuer für Villen im Wert von mehr als sechs Millionen Dollar wegfallen, genau wie eine Mindeststeuer, die bislang anfiel, wenn Reiche ihre Steuern mit legalen Tricks darunter zu senken suchten.
Mittelschicht
Die Einkommensteuer soll für sämtliche Gehaltsgruppen ebenfalls nach unten geschraubt werden. 2019 könnten knapp zwei Drittel der Amerikaner mindestens 100 Dollar weniger an Steuern bezahlen. Der Haken: Die Klausel hat ein Ablaufdatum. Günstigere Einkommensteuersätze gibt's vorerst nur bis 2025.

  

Die Verlierer der US-Steuerreform

Gesundheit
Kassiert wird im Prinzip die Gesundheitsreform Barack Obamas. Aktuell müssen Amerikaner, die sich gegen eine Krankenversicherung entscheiden, eine Strafe zahlen. Diese Regelung soll wegfallen. Doch Ökonomen warnen: Verzichten dann vor allem junge und gesunde Amerikaner auf eine Versicherung, dürften die Prämien für die übrigen Versicherten steigen. Das Haushaltsbüro des Kongresses schätzt, dass derart in zehn Jahren 13 Millionen Amerikaner aus dem Versicherungssystem gedrängt werden könnten.
Umwelt
In den Naturschutzreservaten in Alaska soll wieder nach Öl und Gas gebohrt werden dürfen. Damit wäre ein Naturschutzgesetz, das seit den 60er-Jahren in Kraft ist, aufgehoben.
Bildung
Universitäten müssten Spendengelder für ihre Stiftungen erstmals besteuern, aus denen ein Großteil der Stipendien finanziert wird. Fragwürdig ist auch, ob bzw. inwieweit Studenten zukünftig Zinsen auf Studienkredite noch von der Steuer absetzen werden können.
US-Haushalt
Die USA sitzen auf einem Schuldenberg von 20 Billionen Dollar. Die Reform dürfte diesen um zumindest eine weitere Billion US-Dollar erhöhen.

 

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