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04.05.2018| Von: Stefan Waldhauser |

 

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Gestern hat der E-Auto-Pionier Tesla seine Quartalszahlen vorgelegt. Wer sich den aktuellen Brief an die Aktionäre ansieht, der könnte glauben, das Unternehmen sei auf einem guten Weg, die hochgesteckten Ziele für 2018 zu erreichen. Tatsächlich macht Tesla langsam aber sicher Fortschritte beim Hochfahren der Produktion des Model 3. Immerhin werden jetzt über 2.000 Fahrzeuge dieses Typs pro Woche gefertigt. Allerdings ist das noch immer viel zu wenig, um die über 450.000 vorliegenden Reservierungen in akzeptabler Zeit abzuarbeiten.

 

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Produzieren, bevor die Kunden weg sind

Fälschlicherweise wird in diesem Zusammenhang auch oft von Vorbestellungen gesprochen, in Wirklichkeit aber handelt es sich nur um unverbindliche Vormerkungen von Interessenten. Das heißt es ist keineswegs sicher, dass Tesla all diese Fahrzeuge auch wirklich verkaufen wird können, wenn eines Tages die Massenproduktion rund läuft.

Ich selbst habe mir vor mittlerweile zwei Jahren ebenfalls ein Model 3 reserviert - und werde mindestens ein weiteres Jahr auf eine mögliche Auslieferung warten müssen. Ob ich angesichts der zunehmend interessanten E-Auto-Alternativen der Wettbewerber dann allerdings noch an einem Model 3 interessiert sein werde, ist mehr als fraglich. Sicher machen sich mehrere hunderttausend andere potenzielle Kunden derzeit ähnliche Gedanken.

Natürlich kennt auch der charismatische Tesla-CEO Elon Musk dieses Problem, weshalb er nach wie vor an dem Ziel festhält, bis Ende Juni - also schon in zwei Monaten - 5.000 Model 3 pro Woche zu produzieren. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass dies nicht gelingen wird. So hat Tesla selbst kürzlich eingeräumt, die Möglichkeiten der Automatisierung in der Produktion überschätzt zu haben. Auch im April wurden im Monatsvergleich offenbar kaum Fortschritte gemacht. Die Zeit läuft also gnadenlos gegen Tesla - ein echter Showdown.

Warum ist das so schlimm?

Mit dem Produktionsziel für Juni hängt das noch wichtigere Ziel, in der zweiten Jahreshälfte einen positiven Cashflow zu erreichen, zusammen. Elon Musk hat den Investoren mehrfach versprochen und in der vergangenen Woche nochmals wiederholt, dass der Cash-Verbrauch ab dem dritten Quartal beendet und daher keine weitere Kapitalerhöhung notwendig sein wird.

Ich bin mir da nicht so sicher. Auch wenn sich der Cash-Bestand von 2,7 Milliarden US-Dollar per Ende März zunächst beruhigend anhört, Tesla hat im letzten Quartal etwa eine Milliarde Dollar an negativem Free Cashflow produziert. Das klingt dann schon beunruhigender und wird übrigens im aktuellen Aktionärsbrief nicht wirklich erwähnt.

Elon Musk ist sicher einer der größten Visionäre unserer Zeit, der mit seiner unglaublichen Energie gleich mehrere Industrien verändert. Aber als CEO von Tesla überfordert er mit den ausgegebenen Zielen seine Mitarbeiter und steht nun zunehmend mit dem Rücken zur Wand. Im Analystencall anlässlich der Ergebnisse zum ersten Quartal zeigte Musk entsprechend Nerven. Er weigerte sich, die üblichen, aber für ihn unbequemen Fragen zur finanziellen Lage zu beantworten und hat damit die anwesenden institutionellen Investoren übel brüskiert. Die Quittung für diesen Auftritt war ein herber Kursverlust von mehr als fünf Prozent bei der Tesla-Aktie unmittelbar nach dem Call.

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Bleiben die Großinvestoren Musk und Tesla treu?

Bisher haben gerade die institutionellen Investoren Elon Musk viel Vertrauen geschenkt und dafür gesorgt, dass Tesla auch nach dem Kursrückgang der letzten Monate immer noch mit annähernd 50 Milliarden US-Dollar bewertet wird. Das ist gemessen am Umsatz ungefähr zehn Mal so viel wie BMW. Man kann sich leicht ausrechnen, was passiert, falls diese Großinvestoren das Vertrauen in den Tesla-CEO verlieren.

Ich erwarte jedenfalls größere Veränderungen rund um Tesla, falls sich in den kommenden Monaten herausstellen sollte, dass die Ziele für 2018 wieder einmal nicht zu halten sind. Es wurde in Analystenkreisen sogar schon die Idee diskutiert, dass Tesla in finanzieller Bedrängnis dann mit Space X, dem Raumfahrtunternehmen von Musk, fusionieren könnte. Das hört sich zwar etwas schräg an und würde die Probleme auch nicht wirklich lösen, aber undenkbar ist das für mich dennoch nicht. Spannung in den nächsten Wochen und Monaten ist jedenfalls garantiert.


Stefan Waldhauser ist wikifolio-Trader und betreut als „stwBoerse“ die beiden wikifolios „High-Tech Stock Picking“ sowie „Stock Picking nach Peter Lynch“. Außerdem betreibt er unter high-tech-investing.de seinen eigenen Tech-Blog. An dieser Stelle kommentiert er finanzmarktrelevante Nachrichten und Ereignisse und analysiert Aktien, in denen er möglicherweise auch im Rahmen seiner wikifolios engagiert ist. Der Text spiegelt die Meinung des Autors wider. wikifolio.com übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung.