Kommentar
14.08.2016 um 01:49
Liebe Interessierte,
ich habe seit langer Zeit keinen Kommentar für mein wikifolio „MonsfortValue“ mehr geschrieben. Generell bin ich kein Freund von Kommentaren zu einzelnen Trades oder gar Dividendenzahlungen. Auch möchte ich mich nicht als private Presseagentur versuchen und Dinge vermelden, die von professioneller Seite längst und kompetenter publiziert wurden. Ich finde es interessanter, in meinen Kommentaren eher meine allgemeineren Überlegungen und eventuellen Rückschlüsse auf Investments zu präsentieren. Dies erfordert aber in der Regel etwas Geduld, sowohl auf meiner Seite, wie auch auf Seiten eines etwaigen Lesers. Da dies insgesamt einigermaßen arbeitsaufwändig ist, habe ich mich in den zurückliegenden Monaten lediglich auf Kommentare zu meinen wikifolios „MonsfortMeta“ und „MonsfortSystem“ beschränkt, da die Umsetzung der dort anzuwendenden Handelsregeln meiner Meinung nach regelmäßiger kommentiert werden sollte.
Vor ein paar Tagen habe ich einen Artikel gelesen, in dem die Rede davon war, daß sich die Investoren schizophren verhalten. Einerseits erwarten sie eine Korrektur oder gar einen Crash, andererseits steigen die Indizes. Festzuhalten bleibt, daß die Fallhöhe steigt und keines der bekannten Probleme auch nur ansatzweise gelöst ist (Verschuldung auf allen Ebenen, Notenbankinterventionen, Abwertungswettlauf der Währungen etc.). Ein wenig die Situation eines Frosches im Kochtopf, der sagt: „Das Wasser ist angenehm lauwarm, bisher ist alles gut gegangen.“ Rein gefühlsmäßig würde ich privat in der gegenwärtigen Situation Folgendes tun (wenn ich könnte...): Edelmetallinvestments, physisch und über Aktien, Immobilieninvestments, möglichst physisch und inklusive Land und Wald, Substanz- und Dividendenaktien, direkt oder indirekt über liquide bewährte Fondsprodukte, und letztendlich Shorts auf die großen Indizes aber auch Einzelthemen wie Banken oder gar einzelne Firmen. Unter Umständen mögen auch Unternehmensbeteiligungen jenseits des Aktienmarktes als Ergänzung interessant sein. Dann würde ich die Dinge weitgehend von der Seitenlinie aus beobachten und ggf. nur selten bei einigen Positionen nachkaufen, insbesondere wenn sie in den negativen Bereich gelaufen sind. Dies kann ich leider über wikifolio nicht wirklich umsetzen. Einerseits müssen die anfallenden Gebühren verdient und ein aussagekräftiger track-record gepflegt werden, andererseits fehlen im Anlageuniversum schlichtweg verschiedene Instrumente, die ich hierzu einsetzen würde. Ich muß daher bei meinen wikifolio-Engagements eine deutlich kurzfristigere Sichtweise umsetzen ohne das „große Bild“ aus den Augen zu verlieren.
Wie kann man nun die Gefahr eines Crashs bewerten ? Abstrakt gesehen geht es um Tulpenzwiebeln. Ein Value-Investor versucht, ein Fabergé-Ei zum Preis einer Tulpenzwiebel zu kaufen. Bei einem Crash geschieht das Umgekehrte: All die vermeintlichen Fabergé-Eier der Welt werden als Tulpenzwiebeln entlarvt. Es geht also um Wert. Ein Ereignis stellt Bewertungen infrage und die nachfolgende Wertbereinigung vernichtet irrealen Wert, wobei die Dynamiken zumeist über das Ziel hinausschießen und kurzfristig auch ein gutes Stück realen Wert mitnehmen. Daraus ergeben sich jetzt mehrere Fragen:
1. Leben wir in einer Welt von verkleideten Tulpenzwiebeln ?
2. Funktioniert der Markt hinreichend, um die vermeintlichen Fabergé-Eier als Tulpenzwiebeln zu entlarven ?
3. Und das Million-Dollar-Baby: Welches Ereignis kann die Marktdynamiken zu einer Kippbewegung bringen ?
Zum ersten Punkt kann ich nur sagen: Mit jedem Tag mehr. Zum KGV-Niveau des amerikanischen Marktes wurde schon viel geschrieben und das auch schon seit einiger Zeit. Macy´s hat diese Woche bekanntgegeben, ca. ein Sechstel seiner Filialen zu schließen. Moeller-Maersk hat diese Woche einen deutlichen Gewinneinbruch berichtet. Nun bin ich zwar etwas skeptisch gegenüber dem Baltic Dry als Konjunkturindikator, die Logistikbranche allgemein erscheint dennoch als ein ganz guter Indikator. Der Zwischenbericht der Deutschen Post / DHL zum 30.06. weist beispielsweise zweistellige prozentuale Rückgänge des See- und Luftfrachtgeschäftes verglichen mit dem Vorjahr aus. Ähnlich stellen sich die Zahlen bei Kühne + Nagel dar. Der Nikkei wird meiner Meinung nach durch ETF-Käufe von staatlicher Seite am Leben gehalten. Trotz dieser Käufe und Abzug japanischer Finanzinvestments aus dem Ausland (siehe USD/JPY) bleibt der Nikkei in einem Seitwärtstrend gefangen. Was passiert, wenn der Staat, warum auch immer, nicht mehr oder nur vermindert als Käufer auftritt ? Auch in Japan scheint es erste Abflüsse ausländischen Kapitals zu geben nachdem dort jahrelang in Erwartung der Inflationierung investiert wurde. Der Shanghai Composite ist meilenweit von seinem übertriebenen Höchststand im Frühjahr 2015 entfernt. In gewisser Weise ist dies natürlich ein gutes Zeichen. Umgekehrt betrachtet versucht sich der chinesische Staat in einer schleichenden Abwertung seiner Währung und gleichzeitiger Ausweitung der Investitionsvorhaben (leere Trabantenstädte und Flughäfen, „weiter wie bisher“). Die offiziell vermeldeten Zahlen bescheinigen lediglich eine gewisse Stabilisierung der Wachstumsraten, seltsamerweise in etwa auf dem Niveau, das notwendig ist, um soziale Probleme in dem Land zu unterbinden. Warum steht der Index darum nicht höher ? Der Untergang Chinas wird zwar schon seit Jahren prognostiziert. Das Land konnte jedoch bis in die jüngste Vergangenheit eindrucksvolle Exporterfolge erzielen. Diese Situation erodiert jedoch langsam und mag zusammen mit der anhaltenden Kapitalflucht eine neue Bewertungsgrundlage schaffen. Vielleicht wird das in Japan und China abgezogene Geld in Europa und (insbesondere) in den USA in die Aktienmärkte geleitet, was zu deren weiterem Anstieg beiträgt und wenig über die dort vorliegenden fundamentalen Gegebenheiten aussagt. Die Emerging Markets konnten in den letzten Monaten von einer Verbesserung im Rohstoffsektor sowie einer Schwächung des Dollars profitieren. Ich denke, daß sich die Schwäche des Dollars noch verstärken wird, bin jedoch skeptisch, daß dadurch Investments in den Emerging Markets fundamental attraktiver werden.
„Sentiment“. Ich bin kein Freund von Sentiment- oder Bavioural-Finance-Betrachtungen. Wenngleich beispielsweise die britische Hedgefondsgesellschaft Marshall Wace damit gute Ergebnisse erzielt. Manche Kommentatoren weisen darauf hin, daß wir augenblicklich sehr weit von Euphorie entfernt seien. Mein Einwand ist, daß man sich vielleicht von gewissen Bildern hinsichtlich „Euphorie“ trennen sollte. Sicherlich werden beim Bäcker oder Friseur aktuell keine Aktientips gehandelt. Dennoch. Im Jahr 2007 hatte der S&P gerade mal das 2000er Hoch wieder erreicht, heute steht er ca. 30 % über dem damaligen Hoch. Das ist nicht ganz uneuphorisch. Im Wahljahr (!) 2008 hatte der S&P bereits einen längeren Verfall hinter sich bevor Lehman zuschlug; sprich, das Ausmaß von „Euphorie“ muß aufgrund Fehlens einer solchen Verfallsbewegung momentan höher sein als im Herbst 2008. Und was dann, trotzdem, geschah ist Geschichte. Und hier gehört auch der eingangs erwähnte Aspekt des schizophrenen Verhaltens ins Bild. Vielleicht mögen die meisten Marktteilnehmer von einer steigenden Gefahrenlage sprechen, sie verhalten sich jedoch offensichtlich anders. Irgendjemand muß ja kaufen, sonst würden die Indizes nicht weiter steigen. Und ich halte es für zu kurz gedacht, dies nur auf Aktienrückkäufe von Unternehmen zu beziehen, was, allerdings, schon in sich eine interessante Message wäre, die nicht unbedingt gegen meine generelle Sichtweise arbeitete. Insofern würde ich augenblicklich schon von einer Art „verdeckten Euphorie“ sprechen wollen. Zumindest aber von einem verbreiteten trügerischen Sicherheitsgefühl hinsichtlich der Notenbank- und sonstigen staatlichen Interventionen.
Auf der Finanzseite Seeking Alpha wurde schon so Manches geschrieben, was sich hinterher als falsch herausstellte. Ich möchte dennoch auf folgenden recht neuen Artikel verweisen:
http://seekingalpha.com/article/3999178-sell-everything?ifp=0&utoken=f70551a145a41373d8c63fd095b0ac0d
Ebenfalls möchte ich auf die immer lesenswerten Artikel des Autors „The Heisenberg“ in selbigem Portal verweisen.
Die zweite Frage nach der Funktionalität der Marktmechanismen möchte ich mit einem Ja beantworten. Vor etlichen Monaten hatte ich irgendwo geschrieben, daß die Edelmetallpreise meiner Meinung nach erst dann nachhaltig steigen werden, wenn eine genügend große Anzahl von Investoren an den Notenbanken (und Währungen) zu zweifeln beginnt. Etwas schneller als von mir erwartet scheint das letzte halbe Jahr genau diesen Umschwung gebracht zu haben. Zumindest scheint sich eine genügend große Anzahl von Investoren aus der oben erwähnten trügerischen Sicherheitsillusion zu verabschieden und zumindest mehr zu diversifizieren als zuvor. Mein wikifolio „MonsfortValue“, aber auch meine anderen wikifolios konnten davon sehr deutlich profitieren. Gerade dieser Umstand spricht aus meiner Sicht allerdings für ein Funktionieren der Märkte. Das heißt, solange staatlicherseits nicht direkt in erheblichem Maße durch Aktienkäufe (wie in Japan), bzw. durch das Platzieren von Shorts in den Edelmetallmärkten in großem Umfang eingegriffen wird, kann eine Abstimmung mit den Füßen durch die Investoren den jeweiligen Markt bewegen. Und damit auch in negative Richtung. Es greift zu kurz, auf die von den Notenbanken geschaffene Liquidität zu verweisen und zu glauben, daß damit alles geheilt wird. Die Einbrüche im August letzten Jahres und zu Beginn diesen Jahres zeigen vielmehr, daß das Vorhandensein von Liquidität in Form von Geldversprechen der Notenbanken im Zweifel und kurzfristig weniger bedeutsam ist. Wäre dem nicht so, müßte der DAX seit Frühjahr 2015 kontinuierlich gestiegen sein und heute bei beispielsweise 15.000 stehen. Paradoxerweise wird ja dennoch ein Austrocknen der Rentenmärkte und hier insbesondere der kurzfristigen Engagements festgestellt (thanks, Heisenberg). Investoren sehen heute Liquidität eher im Parken von Geld in Aktien-ETFs als im Erwerb von Money Market Papieren. Im übrigen eine Gefahr in sich für die Aktienmärkte, denn was ist, wenn diese Milliarden, warum auch immer, dem Aktienmarkt entzogen würden und beispielsweise in den Gold- oder gar den noch engeren Silbermarkt flössen ? Auch die Entwicklungen auf den Währungsmärkten scheinen gegen die Allmachtsfantasien der Notenbanken zu sprechen. Trotz aller Bemühungen von Herrn Kuroda steigt der Yen. Vor wenigen Tagen passierte Ähnliches in Neuseeland (doublethanks, Heisenberg). Es ist also noch Leben in den Märkten. Und damit auch die Möglichkeit vorhanden, daß die Investoren und nicht die Notenbanken die Richtung mit einer Abstimmung der Füße bestimmen.
Bezogen auf „MonsfortValue“ möchte ich auch, wenngleich mit einer gewissen Scham, meine „Investments“ in Sunedison und KTG Agrar in diesem Zusammenhang anführen. Obwohl mir bewußt war, daß die Finanzierungsseite bei beiden Unternehmen prekär war, habe ich diese Investments getätigt und der Markt hat mich entsprechend Geld bluten lassen. Kurse können also fallen, und zwar hart. Möglicherweise hat die Liquiditätsschwemme daher weniger das Überwasserhalten von Zombie-Unternehmen zur Folge als vielmehr die breitere Überbewertung an sich brauchbarer oder sogar guter Unternehmen. Und ich wage zu bezweifeln, daß die Notenbanken schnell genug Inflation erzeugen können, so daß die Bewertungen auf dem Aktienticker zur nüchternen Bewertung der Einzelaktiva passen. Was wiederum, zumindest kurz- bis mittelfristig, eine generelle Wertberichtigung nach sich ziehen sollte.
Zur Millionen-Frage bleibt mir leider nur festzustellen, daß ich leider kein Michael Burry bin und damit wahrscheinlich nicht mit scheuklappenfreiem Extensivresearch die Anlageart austrüffeln werde, die das nächste große Ding verursacht. Nebenbeigesagt beschäftigt sich der Herr nach meinen Informationen mittlerweile als Privatier schwerpunktmäßig mit den Themen Gold, Land und Wasser. Aber das nur am Rande. Es bleibt mir also nur, eine Art inkrementale Auslese vorzunehmen. Wenn ich dies tue, bleiben für mich insbesondere die Banken, bzw. die Finanzbranche im Allgemeinen übrig. Was allerdings angesichts der Mainstream-Presseberichte fast schon ein No-Brainer ist. Nachdem so ziemlich jeder die Subprimes vor 2008 verschlafen hatte, ergehen sich seitdem die Experten und Kommentatoren in immer neuen gehirnzerdröselnden Betrachtungen dieses oder jenes Teilmarktes. Die Schulden amerikanischer Kommunen, die Autokredite, die Studienkredite, die Kreditkartenkredite, die Derivate auf Derivate, das Derivatexposure der Deutschen Bank, die Schulden Japans, you name it, we´ve heard it. Irgendwo da draußen mag die Wahrheit, bzw. der Zünder liegen oder auch nicht. Auch wenn ich mich jetzt ein wenig wie Bill Gross anhöre, den ich im Übrigen nicht so sehr schätze, es sind Aktien UND Bonds. Die Aktien, weil eine Bewertungslücke immer größer wird und die Renten, weil eine Bewertungslücke immer größer wird. In beiden Fällen jedoch steht die Finanzbranche als Dreh- und Angelpunkt im Feuer. Und wenn 2008 noch diejenigen Banken ganz gut über die Runden kamen, die keine Subprime-Leichen oder CDS im Keller hatten, so sieht die Situation mittlerweile ganz anders aus. Zwar werden hübsche Streßtests gemacht, aber wenn bereits Sparkassen und konservative Versicherer öffentlich bemängeln, daß die Niedrigzinspolitik ihre Geschäftsmodelle zerlegt, dann erscheint mir diese Branche anfälliger denn je. Eben auch hierzulande und nicht „nur“ in Griechenland oder Italien. Insofern, egal, woher die Zündschnur knistert, die Finanzbranche wird die volle Explosion abbekommen. Short the banks, baby !
Für meine Investments bedeutet das, die Finger von Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltern zu lassen. Allerdings muß die Betrachtung leider noch weiter führen. Auch die oftmals geleverageten Immoblienfirmen sowie Private Equity können tendenziell Probleme bekommen. Ich werde mich daher wohl von einigen dieser Positionen trennen müssen, die ich in der Vergangenheit sehr gerne gekauft habe. Darüber hinaus bin ich gerade dabei, mich in einigen wikifolios von zwar guten, aber meiner Meinung nach zu teuer bezahlten Fonds zu trennen. Zumindest vorübergehend. Im Gegenzug werden die Shortpositionen mit jeder neuerlichen Indexsteigerung erhöht, wenngleich bisher auch erst in recht überschaubarem Maße. Die Edelmetallpositionen sind eigentlich in allen wikifolios in einer Breite vertreten, die zumeist einen weiteren Ausbau hinsichtlich der jeweiligen wikifolio-Konzepte zunehmend schwerer vertretbar macht. Vereinzelt mag ich da allerdings noch ein Schäufelchen nachlegen, insbesondere wenn sich eine Schwäche in diesem Bereich abzeichnet, was in diesen Tagen wohl der Fall ist.
Einige Anhänger der „Österreichischen Schule“ mögen sagen, daß wir uns nun im „Crack-up-Boom“ oder sogar dessen finaler Phase befinden. Ich bin jedoch (mal wieder) skeptisch, aus dieser Erkenntnis ableiten zu können, daß die Aktienkurse jetzt weitgehend ununterbrochen kurz- bis mittelfristig steigen werden (bevor dann die wirklich große Bereinigung kommt). Ich befürchte, daß erst noch ein deutlicher (Zwischen-)Einbruch kommen muß, um bei den Staaten und Notenbanken die finale Stufe des Irrsinns zünden zu können. Für einen solchen Einbruch versuche ich momentan vorzusorgen. Was danach kommt, wird man sehen. Eines ist jedoch sicher: Gold wird immer an Bord sein...
Ich hoffe, Sie mögen mir trotz Allem gewogen bleiben.
Mit besten Grüßen
M.