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„Ich lasse die Finger von allen Aktien mit vier Rädern - mit einer Ausnahme“

Seit Anfang 2016 ist der psychologische Berater und Spiegel-Bestseller-Autor Christian Thiel mit seinem wikifolio Global Champions erfolgreich. Auf Jahressicht hat es sich um 30 % verteuert. Ein Grund mit Thiel über die aktuelle Marktlage zu sprechen - aber bei Weitem nicht der einzige.

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Quelle: wikifolio.com

Er zog aus, um die besten Aktien der Welt zu kaufen. Getan hat er das bereits in seinem Spiegel-Bestseller "Schatz, ich habe den Index geschlagen". Und seit mittlerweile 9 Jahren tut er das auch in seinem wikifolio Global Champions . Insgesamt liegt das Depot starke 257 % im Plus (das sind 15 % p.a.). Thiels Strategie: Langfristig in tolle Aktien investieren. So ist zum Beispiel die Apple -Aktie ständiger Begleiter in seinem Depot und nach wie vor Top-Holding. Viel Erfolg hatte er zuletzt auch mit seinem Netflix -Engagement. Im Interview erklärt er, warum Apple's iPhone-Erfolge seiner Ansicht nach noch lange nicht zu Ende sind und wieso Netflix zuletzt so erfolgreich war. An den Erfolg Teslas glaubt er nicht - trotz oder gerade wegen Elon Musk. Zum Tesla -CEO und Trump-Berater Musk bezieht er deutlich Stellung. Deutlicher als es so manche Medien zuletzt getan haben. Musk baue an einer Internationale der rechtspopulistischen, rechtsextremen und faschistischen Parteien in Europa: "Das ist seit einigen Monaten klar und spätestens sein Hitlergruß bei seiner Rede zur Amtseinführung von Donald Trump hat das noch einmal bestätigt." 

Chart

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cde

Kennzahlen

  • +218,4 %
    seit 13.01.2016
  • EUR 7.670.082,82
    Investiertes Kapital
  • -11,7 %
    Performance (1 J)
  • 28,6 %
    Volatilität (1 J)
Ø-Perf. pro Jahr: +15 %

Christian, 2025 läuft bislang ganz gut für die Börsen. In deinem wikifolio hältst du vorrangig US-Werte. Wie schätzt du die Aussichten für US-Aktien im weiteren Jahresverlauf ein?

Christian Thiel: Das ist schwer einzuschätzen. Die Wahl von Donald Trump hat die Politik unberechenbarer gemacht. Und das wird sich möglicherweise auch an den Börsen zeigen. Am langen Ende aber geht es an der Börse um die Gewinne der Unternehmen. Die sollen in 2025 für amerikanische Unternehmen um rund 12 % steigen. Es könnte also ein weiteres gutes Jahr für die US-Börsen werden. Oder die Börse verdaut erst einmal den starken Anstieg von 2024 und läuft mehr oder weniger seitwärts. Aber das wäre in meinen Augen kein Beinbruch, denn damit kämen die hohen Bewertungen vieler Unternehmen dort ein wenig nach unten.

Gemessen an der „America first“-Politik von Trump müssten die US-Börsen eigentlich stärker performen als die europäischen. Auch wirtschaftlich läufts in den USA besser. Der Dax hat mit einem Plus von gut 7 % die US-Börsen seit Jahresanfang aber deutlich geschlagen. Wie ist das möglich?

Deutsche Aktien sind sehr billig und den Unternehmen im Dax geht es ja nicht schlecht. Sie erwirtschaften ihr Geld oft international. Aber ich bin kein Experte für deutsche Aktien. Ich habe nur Eventim im Depot. Und mit der bin ich mehr als zufrieden. Der Bereich Live-Events hat in den letzten Jahren geboomt. Das Geld ist ganz offensichtlich da – trotz aller Klagen.

Mit Projekt „Stargate“ hat Trump Investitionen von insgesamt 500 Milliarden Dollar in den Ausbau Künstlicher Intelligenz angekündigt und dafür die Spielregeln für die Unternehmen gelockert. Fängt damit der Börsenhype rund um KI erst so richtig an?

Mit Stargate ist es wie mit allen Ankündigungen von Trump in seiner ersten Amtszeit: Ohnehin geplante Investitionen werden als ein Deal von Donald Trump vorgestellt, um die Wählerschaft zu beeindrucken. Diese Form von PR-Politik wird die kommenden vier Jahre beherrschen. Der Abbau von Regeln für die Entwicklung von KI ist dagegen real, kann aber auch zu erheblichen Problemen führen.

Unter Vorgänger Biden mussten KI-Entwicklungen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Wirtschaft oder die öffentliche Gesundheit darstellen könnten, auf ihre Risiken hin geprüft werden. Das hat Trump nun widerrufen - obwohl namhafte Experten vor den Gefahren durch KI warnen. Wie schätzt du diese Entwicklung ein?

Schwer zu sagen. Die Gefahren von KI verschwinden nicht, nur weil Donald Trump und Elon Musk nicht wollen, dass sie genau untersucht werden. Grundsätzlich aber ist KI nicht aufzuhalten. Ehrlich gesagt besteht mein Depot mit Apple, Nvidia , Amazon , Taiwan Semiconductor Manufacturing zu einem ganz erheblichen Teil aus Werten, die von KI wohl profitieren werden. Auch bei Aktien wie John Deere , Intuitive Surgical  , Mastercard oder Booking ist das so.

Ob das Bündnis von Trump und Musk hält, das ist mehr als fraglich. Ich gehe davon aus, dass es Ende des Jahres bereits Geschichte ist.

Christian Thiel
sparstrumpf

Trump hat außerdem den Bau neuer Windkraftanlagen vorerst ausgesetzt. Gerade die Tech-Konzerne brauchen aber jede Menge Energie um KI weiterzuentwickeln. „Drill, baby, drill“ for the win? Kann das alles sein?

Trump wurde schon in seiner ersten Amtszeit stark von der Ölindustrie finanziert. Windenergie ist in den USA allerdings sehr populär – auch in der eigenen Wählerschaft von Donald Trump. Windanlagen liefern sehr günstigen Strom und sind zum Beispiel in Texas für konservative Landbesitzer eine hervorragende Einnahmequelle. Die werden sich von Donald Trump nicht reinreden lassen. Trump kann die Entwicklung zu Clean Energy verlangsamen. Das ist auch sein Ziel. Aufhalten kann er sie aber nicht. Für Aktieninvestments ist das allerdings alles eher zweitrangig. Clean Energy ist eine tolle Sache – aber als Aktieninvestment eher grauenhaft. So liegt zum Beispiel der iShares Global Clean Energy ETF seit Auflage im Juli 2007 fast 60 % im Minus (per 28.01.2025).

Big Tech ist in deinem wikifolio Global Champions prominent vertreten. Apple und Netflix sind aktuell Top-Holdings. Gerade Netflix hat ganz aktuell tolle Nutzerzahlen geliefert. Die Aktie konnte zweistellig zulegen. Warum läufts bei Netflix so gut und geht da noch was?

Netflix hat den "Streaming War" gegen Disney klar gewonnen. Sie sind die Nummer eins und Disney bleibt auf absehbare Zeit die Nummer zwei. Dabei habe ich YouTube allerdings noch nicht berücksichtigt. Netflix orientiert sich an der screen time und vergleicht sich deshalb auch mit YouTube. In diesem Vergleich liegen die beiden derzeit mit jeweils rund zwei Stunden screen time pro Tag in den USA gleichauf. Netflix hat noch eine Fülle an Wachstumschancen, Live-Sport gehört dazu. Gaming auch. Ich traue es dem Unternehmen zu, dass es in 2030 zu den wertvollsten und mächtigsten Unternehmen der Welt gehört.

Da die Welt reicher wird (auch wenn das hier in Deutschland derzeit niemand glaubt – hier ist man abgrundtief pessimistisch), haben Menschen mehr Geld, um sich einen bescheidenen Luxus zu erlauben. Dazu gehören Netflix und Apple.

Christian Thiel
sparstrumpf

Deine Top-Holding Apple ist Stammgast in deinem wikifolio. Wo kommt das Wachstum des iPhone-Konzerns in Zukunft her? Marktbeobachter bezweifeln, dass es vom iPhone kommt. Wovon dann? KI?

Zunächst einmal ist bisher noch jede Voraussage, dass das iPhone vom Umsatz her nicht mehr wächst, nach einiger Zeit von der Realität überholt worden. Der Marktanteil von Apple im Bereich Smartphone wächst seit vielen Jahren. Da die Welt reicher wird (auch wenn das hier in Deutschland derzeit niemand glaubt – hier ist man abgrundtief pessimistisch), haben Menschen mehr Geld, um sich einen bescheidenen Luxus zu erlauben. Zu diesem bescheidenen Luxus gehört Netflix, um die es gerade ging. Und eben auch Apple. Auch in den nächsten Jahrzehnten dürfte die weltweite Mittelschicht größer werden. Und sie wird sich ein iPhone gönnen. Apple wächst allerdings im Bereich der Services, die es anbietet deutlich stärker als beim iPhone. Und je mehr Menschen ein iPhone haben, desto mehr verdient Apple beim Service. Ich bin bei Apple also die Ruhe selbst. Und angesichts der irren Gewinne, die sie machen (und durch Aktienrückkäufe an die Aktionäre ausschütten) ist es auch ganz einfach, hier ruhig auf weiter steigende Aktienkurse bei Apple zu setzen. Allerdings würde ich nicht ausschließen, dass Nvidia oder Netflix stärker wachsen als Apple und bald die Nummer eins im Depot sind.

Trump hat für eine Bitcoin-Rally gesorgt und dann auch noch einen Meme-Coin herausgebracht – wie siehst du die Entwicklung im Bereich der Kryptowährungen?

Klingt nach Casino-Kapitalismus, zumindest was diese Meme-Coins angeht. Ich gehöre beim Bitcoin ja zu den Skeptikern. Aber die Kurssteigerungen beim Bitcoin sind natürlich eindrucksvoll. Es bleibt allerdings ein Asset, dass keinen Cashflow generiert. Ich habe deshalb wenig Vertrauen in den Bitcoin.

Zur politischen Lage in den USA, aber auch in Europa: Wie gefährdet sind Demokratie und Rechtsstaat in deinen Augen? Bauen sich die rechten Milliardäre Trump und Musk mithilfe von Social Media eine Welt, wie sie ihnen gefällt?

Sie versuchen es. Elon Musk baut an einer Internationale der rechtspopulistischen, rechtsextremen und faschistischen Parteien in Europa. Das ist seit einigen Monaten klar und spätestens sein Hitlergruß bei seiner Rede zur Amtseinführung von Donald Trump hat das noch einmal bestätigt. Ja, das gefährdet die Demokratie in Europa. Elon Musk bezieht grundsätzlich die gleichen Positionen, die auch russische Trolle bei ihrer Beeinflussung von politischen Prozessen in Deutschland beziehen. Wir werden also gleich zweifach unter Druck gesetzt. Ob dieses Bündnis von Trump und Musk hält, das ist allerdings mehr als fraglich. Ich gehe davon aus, dass es Ende des Jahres bereits Geschichte ist. Trump ist ein eiskalter Machtpolitiker – alles, was er macht dient ausschließlich seinen eigenen Interessen. Dabei darf Elon Musk derzeit eine Rolle spielen. Noch.

Was kann Europa tun, um wirtschaftlich nicht noch weiter abgehängt zu werden? Und wie kann die EU verhindern, dass sie aufgrund rechtsextremer antieuropäischer Kräfte politisch zwischen Russland und den USA aufgerieben wird?

In Dresden baut TSMC derzeit seine erste europäische Chipproduktion. Das ist schon mal ein Anfang. Aber ganz ehrlich: So lange Konservative und Freidemokraten in Deutschland in erster Linie keine Schulden wollen – die USA aber wie verrückt investieren, auch mithilfe von Schulden, so lange wird es Europa schwer haben, den Anschluss zu finden. Am langen Ende ist es die sinnlose deutsche Fiskalpolitik, die es auch allen seinen Nachbarn schwer macht.

Die Internetökonomie ist nach wie vor die erste Liga für erfolgreiche Aktien - aktuell schaue ich nur auf zwei Titel, um zu sehen, ob sie ins Depot passen: Uber und Lyft.

Christian Thiel
sparstrumpf

Auf Jahressicht hat dein wikifolio Global Champions über 30 % zugelegt. Mal ehrlich: Nochmal 30 % in den kommenden 12 Monaten werden sich aber nicht ausgehen, oder? Womit wärst du zufrieden?

Ich denke ja langfristig. Das wikifolio hatte gerade seinen neunten Geburtstag. Seit Beginn hat es (Stand: 23.01.2025) 257 % zugelegt. Der MSCI World, mit dem ich mich vergleiche hat es (als ETF in Euro und inklusive Dividenden) auf 204 % gebracht. Mein Ziel ist es, diesen Abstand weiter zu vergrößern. Darauf, ob die Aktienmärkte ein gutes oder ein schlechtes Jahr haben werden, habe ich ja keinen Einfluss. Zufrieden wäre ich also auch mit 0 % in 2025 – sofern es mir gelingt, den Abstand gegenüber dem MSCI World zu vergrößern. Das ist in 2024 in erster Linie mit Chipaktien geglückt und mit Netflix. Gut möglich, dass das auch 2025 wieder so kommt.

Was lässt dich optimistisch auf die nächsten Monate blicken? Wo siehst du für Aktionäre besonderes Potenzial? Wovon würdest du die Finger lassen?

Ich schaue derzeit nur auf zwei Aktien um zu sehen, ob sie ins Depot passen: Uber und Lyft . Das sind zwei gut aufgestellte Plattform-Unternehmen der Internetökonomie, die in den nächsten Jahren die größte Rolle im Bereich autonomes Fahren spielen könnten. Die Internetökonomie ist nach wie vor die erste Liga für erfolgreich Aktien. Wobei es fast korrekter wäre zu sagen: Die Smartphone-Ökonomie. Ich weiß gar nicht, ob Uber und Lyft überhaupt über meinen PC funktionieren. Es würde mich aber sehr wundern, wenn das ginge. Das Smartphone verändert eine Vielzahl von Gewohnheiten, nach wie vor ist das so. Und nach wie vor ist bei diesen Geschäftsmodellen für Anlegerinnen und Anleger am meisten zu holen.

Die Finger lassen würde ich von allen Aktien mit vier Rädern (außer John Deere). Die deutsche Autoindustrie erlebt schwere Zeiten, aber auch Tesla verliert derzeit deutlich an Marktanteilen. Das kann sich angesichts des politischen Engagements von Elon Musk in den USA wie in Europa noch deutlich ausweiten. Die Gewinner heißen in dem Fall: VW , BMW , Mercedes , General Motors und BYD . In ein paar Jahren sind die deutschen Autobauer wieder obenauf – aber ein gutes Langfristinvestment sind sie in meinen Augen trotzdem nicht.

Christian, vielen Dank für das Gespräch.


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