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Kann man Crashs eigentlich vorhersehen?

Der Abverkauf an den Börsen aufgrund des Coronavirus traf sehr viele Marktteilnehmer völlig unvorbereitet, da es in der modernen Börsenwelt noch kein vergleichbares Ereignis gab.

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Quelle: unsplash.com

Für die Wirtschaft ist ein so praktizierter „Shutdown“ ein riesiges Problem, da sowohl die Nachfrage nach Gütern, aber auch deren Produktion zusammenbricht. Die Auswirkungen auf die Kreditfähigkeit und die Gewinne der Unternehmen sind daher kurzfristig massiv, was immer mehr Marktteilnehmern klar wurde. Der Absturz an den Börsen wurde durch Liquiditätsengpässe und automatische Handelsmodelle noch verstärkt.

Die Anzeichen für einen Crash

Ein externes Ereignis wie das Coronavirus kann man natürlich nicht vorhersehen. Es gibt jedoch durchaus Zeiten an der Börse, an denen das Risiko größer oder geringer ist, dass es zu einem solchen Crash kommt. Die Anzeichen dafür können Anleger erkennen. Das Risiko für einen Börsencrash ist insgesamt auf fünf Bereiche bzw. Gründe zurückzuführen.

  1. Bewertung
  2. Monetäre Situation
  3. Realwirtschaft
  4. Momentum
  5. Sentiment und Risiko

Der erste Grund sind zu hohe Bewertungen an den Aktienmärkten. Die wichtigste Kennzahl dafür ist das KGV und Aktienmärkte waren traditionell deutlich riskanter wenn das KGV zum Beispiel über 20 notierte. Das bekannteste Beispiel dürfte das Platzen der Technologieblase um 2000 sein.

Genauso wichtig war aber traditionell die Höhe der Zinsen und vor allem deren Entwicklung sowie die Liquidität an den Märkten. Die meisten Börsencrashs sind bisher entstanden, wenn während einer guten Konjunktur die Zinsen zu stark angezogen sind, was dann irgendwann zu einem Kippen des Immobilienmarktes oder zu einem Verschieben des Kapitals weg von Aktien hin zu Anleihen geführt hat. Hier wäre die Finanzkrise 2008 das beste Beispiel.

Das Coronavirus mit eigenen Regeln

Da wir aber weltweit fast überall Nullzinsen haben, ist der derzeitige Börsencrash so besonders. Sein Ursprung ist ungewohnt, er hat aber bereits extrem starke Auswirkungen auf den dritten Risikobereich, die Realwirtschaft. Das Wachstum einer Volkswirtschaft und die Ableitung davon, ja sogar nur die Furcht vor einer Rezession, kann ebenfalls einen Crash auslösen, wie wir zuletzt im Dezember 2018 gesehen haben. Einerseits ist das wichtig für die Stimmung, andererseits sind realwirtschaftliche Frühwarnindikatoren auch relevant für die Unternehmensgewinne.

Trotzdem heißt es ja, dass die Kurse die Nachrichten machen und nicht umgekehrt. Da die Börse immer mehr von automatischen Handelsmodellen bestimmt wird, kann das sogenannte Momentum, also der allgemeine Trend der Aktienkurse aus einer Korrektur einen Crash werden lassen. Denn bei aller fundamentaler Analyse darf man nicht vergessen, dass Aktienkurse kurzfristig nur von Angebot und Nachfrage bestimmt werden. Beide können sich aus sehr unterschiedlichen Gründen schnell stark verändern. Das Momentum kann man daher auch als Börsenstimmung sehen, welche Kurse sehr weit nach oben oder unten treiben kann. Bei negativem Momentum werden nicht nur viele Charttechniker verkaufen oder „short gehen“, Charts bilden auch die Stimmung der Investoren ab (Sentiment): Wird diese negativ, steigt das Abverkaufsrisiko. Das ist eine weitere Besonderheit der aktuellen Krise: Der Kurssturz setzte direkt vom Hoch ein, während normalerweise Trends etwas „auslaufen“.

Schwarze Schwäne

Die bisherigen Punkte kann man auch mit verschiedenen Makromodellen quantitativ abbilden. Diese Computermodelle unterschätzen aber den Einfluss von sogenannten „Schwarzen Schwänen“ – also unvorhersehbaren Ereignissen oder Risikoszenarien, die die Marktteilnehmer falsch einschätzen oder komplett ignorieren. Dabei ist das eine durchaus rationale und nachvollziehbare Strategie. Wenn Anleger beispielsweise das Risiko, dass Italien aus dem Euro in den nächsten zwei Jahren austritt bei zwei Prozent sehen, werden sie deswegen nicht italienische Aktien verkaufen. Ab einer bestimmten Prozentzahl werden sie das jedoch tun, was durch Momentum und Medien dann weiter verstärkt wird. So wurde die Coronakrise erst ignoriert, dann schlug sie voll durch. Anleger sollten also vorsichtig sein, wenn der Markt bestimmte reale Risiken komplett ignoriert oder andersrum die Medien völlig übertreiben und es daher zu einer Übertreibung der Kurse nach unten kommt.

Die Makromatrix

Aus diesen fünf Risikobereichen habe ich die investresearch-Makromatrix gebildet: Für jede der fünf Weltregionen (USA, China, Euroraum, sonstige Industrieländer und Schwellenländer) bewerte ich mittels einer Ampel die fünf Bereiche mit negativ (-1), neutral (0) oder positiv (+1).

makromatrix
Die Makromatrix

Für jede der fünf Regionen und fünf Bereiche wird eine Ampelbewertung vorgenommen. 

Obwohl die Corona-Krise so besonders war und ist, hat dieses Modell mich und meine wikifolios vor größeren Verlusten, wie sie in den Aktienindizes erfolgt sind, bewahrt. Ich konnte deswegen frühzeitig einen Großteil in Cash umschichten. Die Beachtung der fünf Faktoren kann aber nicht nur dazu beitragen, einen Börsencrash gut zu überstehen, sondern hilft auch, die Gewichtung der Regionen im Depot dynamisch zu steuern. In der neutralen Position wäre die Ländergewichtung wie folgt: USA mit 40 Prozent, Euroraum mit 20, China ebenfalls mit 20 Prozent und die sonstigen Industrieländer sowie die Schwellenländer mit einem Anteil von je 10 Prozent. Diese Gewichtung kann dann je nach Rating angepasst werden. Derzeit wird die USA relativ schlechter bewertet, weswegen sie statt mit 40 Prozent mit nur ca. 26 Prozent gewichtet werden sollte. Dies sind natürlich nur Orientierungspunkte.

Mehr zur Makromatrix auf investresearch.net bzw. meinem YouTube-Kanal


Disclaimer: Philipp Haas ist wikifolio-Trader und betreut als investresearch mehrere wikifolios, allen voran  Nebenwerte Europa sowie investresearch stockpicker . Außerdem betreibt er unter investresearch.net seinen eigenen Blog zum Thema Aktien und Geldanlage. Mehr Einschätzungen und Analysen gibt es zudem auf seinem YouTube-Kanal investresearch TV.  An dieser Stelle kommentiert er finanzmarktrelevante Nachrichten und Ereignisse und analysiert Aktien, in denen er möglicherweise auch im Rahmen seiner wikifolios engagiert ist. Der Text spiegelt die Meinung des Autors wider. wikifolio.com übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung. Der Inhalt stellt keine Anlageberatung und auch keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.

Jedes Investment in Wertpapiere und andere Anlageformen ist mit diversen Risiken behaftet. Es wird ausdrücklich auf die Risikofaktoren in den prospektrechtlichen Dokumenten der Lang & Schwarz Aktiengesellschaft (Endgültige Bedingungen, Basisprospekt nebst Nachträgen bzw. den Vereinfachten Prospekten) auf www.wikifolio.com, www.ls-tc.de und www.ls-d.ch hingewiesen. Die Performance der wikifolios sowie der jeweiligen wikifolio-Zertifikate bezieht sich auf eine vergangene Wertentwicklung. Von dieser kann nicht auf die künftige Wertentwicklung geschlossen werden.